Stell dir vor, du trägst eine unsichtbare Rüstung, die mit jedem Tag schwerer wird. Niemand sieht sie, aber du fühlst ihr Gewicht – bei jedem Schritt, bei jeder Entscheidung, bei jeder kleinen Alltagsaufgabe. Dieses Gewicht ist die „Mental Load“, eine stille Last, die in unseren Breitengraden nach wie vor immer noch hauptsächlich von Frauen getragen wird.
Mental Load: Ein Begriff, der alte Rollenbilder entlarvt
Es ist an der Zeit, dass wir diese Mental Load sichtbar machen und gerecht verteilen. In den meisten Fällen wird dieses „Familienmanagement“ leise und ohne viel Aufhebens erledigt. Frauen planen, denken, managen, erinnern und organisieren ständig unbemerkt. Und zwar neben all den anderen Tasks und Verantwortlichkeiten, die der Job und auch die Freizeit mit sich bringen. Mütter, Partnerinnen, Berufstätige, Freundinnen, Lebensplanerinnen – Frauen tragen viele Hüte und managen dabei oft den Spagat zwischen Beruf und Familie scheinbar (!) mühelos.
Und am Muttertag heißt es innehalten und DANKE sagen für die Stärke der Mamas und aller Frauen, in den verschiedensten Rollen wie Mütter, Pflegemütter, Großmütter, Mentorinnen und allen Frauen, die uns inspirieren.
Heute feiern wir diese Vielseitigkeit und ich setze mich ein für Systeme und strukturelle Veränderungen, die diese Mehrfachbelastungen anerkennen und unterstützen.
Wenn man nun die unterschiedlichen Lebenswelten beleuchtet, fällt der große Aufholbedarf in Österreich auf.
Gleichstellung am Arbeitsplatz ist mehr als nur eine faire Bezahlung. Es geht um Aufstiegschancen, um Teilhabe an Macht und Entscheidungen. Frauen sind oft gleichermaßen qualifiziert, aber seltener in Führungspositionen anzutreffen.
Nach wie vor ist auch der Lohnunterschied (Gender-Pay-Gap) in Österreich und besonders in Vorarlberg zwischen Männern und Frauen markant. Dies liegt unter anderem an folgenden Faktoren:
- Die geringere Bewertung von Berufen, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden, wie Pflege und Betreuung.
- Herausforderungen in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
- Lange Berufsunterbrechungen, ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit.
- Fehlende Lohntransparenz und die vorherrschende Teilzeitbeschäftigung von Frauen.
In Vorarlberg verdienen Frauen auch 2023 weiterhin durchschnittlich 21,1 Prozent weniger als Männer, womit das Ländle erneut das Schlusslicht in Österreich bildet. Trotz der vergangenen Jahre und Jahrzehnte zeigt sich nur eine minimale Veränderung im Gender Pay Gap: Über einen Zeitraum von 25 Jahren hat sich die Lohnlücke lediglich um 3 Prozentpunkte verringert.
Die Pensionsvorsorge ist ebenfalls ein Spiegel der Gleichstellung. Die Diskrepanz beginnt nicht erst im Alter. Sie baut sich über Jahre auf – durch Teilzeitarbeit, durch geringere Einkommen, durch die Übernahme von Care-Arbeit. Eine gerechte Pensionsvorsorge muss diese Faktoren berücksichtigen, um Frauen nicht im Alter zu benachteiligen.
Es ist Zeit, Abschied zu nehmen von der veralteten Vorstellung einer „Work-Life-Balance“. Was wir brauchen, ist eine „Lebensintegrierte Arbeit“, die es ermöglicht, dass Berufs- und Privatleben nicht in Konkurrenz, sondern in Harmonie miteinander stehen. Flexible Arbeitsmodelle, faire Elternzeitregelungen (Elternteilzeit, Elternkarenz) und eine Kultur, die sowohl Papas als auch Mamas dazu ermutigt, familiäre Verantwortung zu teilen, sind der Schlüssel.
Als Bundesrätin kämpfe ich für eine Welt, in der Gleichstellung keine Ausnahme, sondern die Regel ist. Jede Frau soll die Anerkennung und die Unterstützung erhalten, die sie verdient. Nicht nur am Muttertag, sondern an jedem Tag!