Wer hätte einmal gedacht, dass unser öffentliches Leben komplett still steht und wir über Wochen nahezu ausschließlich in unseren Häusern oder Wohnungen verbringen. Ich hätte das jedenfalls nicht für realistisch erachtet. Dementsprechend hatte diese Tatsache und die Folgen dieses Lockdowns auch meine Gedankenwelt voll im Griff.
Als Optimist mache ich mir gerne Gedanken darüber, was ich in einer solchen Situation Positives lernen kann und wie ich mich dadurch weiterentwickeln kann. Ich denke da gibt es auch einiges. Vor allem unseren Alltag und die scheinbar einfachen Dinge wieder mehr zu schätzen, wie zum Beispiel das frische Brot beim Bäcker am Samstag morgen fürs Frühstück holen zu können.
Und ja, auch ich erlebe diese Momente, wo ich mir Corona wegwünsche, meine geliebte Freiheit wieder haben möchte und meine Familie und Freude wieder treffen möchte. Auch ich merke allmählich, dass mir daheim die Decke auf den Kopf fällt und ich an manchen Tagen zu nichts mehr Lust habe. Aber dann rufe ich mir immer wieder ins Bewusstsein, dass Ausnahmesituationen und Krisen immer auch eine Chance sind.
Eine Chance, den Alltag neu zu überdenken. Eine Chance, diese enorme Solidarität des Landes erleben zu können und diese auch selber weiterzugeben. Eine Chance, die Gesundheit als höchstes Gut zu schätzen und dankbar dafür zu sein. Eine Chance, unseren Lebensstil neu zu überdenken und zu verändern.
Unser Familienalltag hat sich durch Corona im Wesentlichen nicht besonders verändert. Mein Sohn Timo ist ja noch klein und muss nicht in den Kindergarten oder zur Schule. Außerdem verbringt man mit so einem kleinen Kind sowieso viel Zeit daheim, womit es für uns keine große Umstellung war. Mein Mann jedoch, konnte durch sein Homeoffice wesentlich mehr Zeit mit Timo erleben. Das erste Mal Brei Essen zum Mittag, seine ersten Krabbelversuche – all das eine unbezahlbare Erfahrung, wofür er sehr dankbar ist. Natürlich gibt es auch da und dort kleine Konflikte, wenn ich meine Onlinemeetings habe und er gleichzeitig im Büro arbeiten muss. Aber bisher konnten wir diese Situationen immer irgendwie meistern.
Ein Wort assoziiere ich im positiven Sinn unweigerlich mit Corona: Entschleunigung! Dank dieser Zeit konnten wir mal aus dem Hamsterrad und dem Hinterherrennen von Aufgaben und Terminen und dem Drang alles sofort erledigen zu müssen, entfliehen. Es gab keinen Zeitdruck – denn man musste ja auch die nächsten Tage nirgends hin. Bitte versteht mich jetzt nicht falsch. Ich liebe die Abwechslung die mir mein Leben bietet und bin ein Mensch der diese auch braucht. Meine Arbeit, Projekte und Herausforderungen neben der Familie zu haben, macht mir riesigen Spaß und ich freue mich schon wieder sehr darauf, aber irgendwie hatte diese Zeit auch was Entschleunigendes. Das tat auch sehr gut.
Auch spürte ich, dass meine verborgene kreative Ader plötzlich aufblühte – ich habe wie besessen 6 verschiede Körbchen aus Textilgarn gehäkelt und ich habe mich um die Umsetzung meiner neuen Homepage bemüht, wo ich mich ebenfalls inhaltlich und kreativ beteiligen konnte. Zeit zum täglichen Sport hatte ich seit der Geburt von Timo mit meinem Job als Bundesrätin und Mama nicht mehr – in den letzten Wochen konnte ich jedoch nahezu jeden Tag ein kurzes Workout daheim oder draußen in der Natur einlegen.
Ja, Corona hat unglaubliche Spuren der Verwüstung hinterlassen und es wird noch lange dauern, bis die Krise vollends überwunden ist. Aber Corona hat auch ungeahnte Kräfte in uns geweckt, eine Welle der Solidarität, des Zusammenhalts. Lasst uns diese Erfahrung annehmen und sie als Chance sehen.
Die Regierung wird mit Wirtschaftsstimulations- und Konjunkturpaketen nur vereinzelt den Samen für das Comeback Österreichs säen können, aber der Einsatz und das Bemühen von uns allen ist gefragt, damit aus dem Samen wieder eine blühende und prosperierende Wirtschaft wird und das Comeback gelingt.